Was Eltern über Bio-Siegel wissen sollten
Wie bio ist bio? Was Eltern über Bio-Siegel wissen sollten
Laut aktueller Zahlen trugen im Jahr 2023 mehr als 106.000 unterschiedliche Produkte in Deutschland ein Bio-Siegel – und das allein im Lebensmittel-Bereich.1 Nicht nur diese Zahl, auch der Anstieg ist beeindruckend: Im Jahr 2010 waren es noch gut 61.000 Produkte, das ist ein Anstieg von über 40 Prozent. Die Statistik ist ein eindrucksvoller Indikator dafür, dass die Bedeutung des Labels „Bio“ stetig wächst.
Und was für den gesamten Markt gilt, hat auch in unserer Branche besonderes Gewicht: Denn wenn es um den eigenen Nachwuchs geht, setzen Eltern – aus verständlichen Gründen – hohe Maßstäbe an die Produkte, mit denen sie ihre kleinen Schützlinge tagtäglich umgeben. Es ist davon auszugehen, dass neben der Nachhaltigkeit die Bio-Qualität bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle spielt – und zwar nicht nur für Lebensmittel, sondern segmentübergreifend auch für Textilien, Pflegeprodukte und Co.
Doch mit dem Boom des Bio-Konzeptes drängten und drängen immer mehr Label auf den Markt, die um das Vertrauen der Verbraucher:innen konkurrieren. Denen stellt sich immer öfter die Frage: Wie bio ist bio tatsächlich, und welches Siegel verdient Vertrauen?
Lebensmittel: Strenge Standards für sichere Ernährung
Ob Säuglingsnahrung in den ersten Lebensmonaten oder der erste Brei – in kaum einem anderen Bereich machen sich Eltern wohl so viele Gedanken um die Qualität und Sicherheit der Produkte wie bei der Ernährung. Kein Wunder, schließlich messen Expert:innen der Ernährung in den ersten Lebensjahren besondere Bedeutung zu. Hinzu kommt: Die Organe wie Leber und Niere bei Babys und Kleinkindern sind noch nicht ausgereift und können Chemikalien und Toxine daher schlechter abbauen, als dies bei Erwachsenen der Fall ist.
Das Standard-Siegel für Bio-Qualität im Lebensmittelbereich ist das deutsche Bio-Siegel bzw. das EU-Siegel, die einander gleichgestellt sind. Produkte, die diese Labels tragen, müssen die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung erfüllen – darunter der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel, eine tiergerechte Haltung und eine geringe Verwendung von Zusatzstoffen. Die Produktzutaten müssen zu 95 Prozent aus Öko-Betrieben stammen.
Darüber hinaus gibt es die Ökostandards der deutschen Anbauverbände, die nach noch strengeren Kriterien vergeben werden. Zu den bekanntesten zählen demeter, Bioland, Naturpark und Naturland.
Textilien: Hautkontakt? Bitte ohne Schadstoffe!
Immer mehr Eltern sind sich bewusst: Was Babys und Kleinkinder so nah an der Haut tragen wie ihre tägliche Kleidung, sollte sicher und möglichst schadstofffrei sein. In der Vergangenheit haben sich daher einige verlässliche Textilsiegel etabliert, die Eltern bei der Wahl von Kleidung, aber auch Bettwäsche, Schlafsack & Co oder Bezugsstoff von Kinderwagen und Babyschale Sicherheit schenken.
Eines der bekanntesten Label und fast schon so etwas wie eine Mindestanforderung für Babytextilien ist der Oeko Tex Standard 100, der Textilien nach weltweit gültigen Kriterien und Grenzwerten zertifiziert. Der Standard hat je nach Hautkontakt vier Produktklassen, wobei Babykleidung zur Klasse I zählt und am strengsten reglementiert sind.
Die folgenden Siegel gehen noch weiter und decken die gesamte textile Wertschöpfungskette ab, setzen hohe ökologische und soziale Standards und gelten als vertrauenswürdig:
- GOTS, Global Organic Textile Standard: weltweit angewendeter Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern
- OEKO-Tex Made in Green: geht noch über den bekannten Oeko-Tex Standard 100 hinaus; alle Materialien schadstoffgeprüft, strenge Regulierung von Chemikalien
- IVN Best-Siegel für Naturtextilien: hauptsächlich im europäischen Raum vertreten, Zertifizierung des Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) ausschließlich für Textilien aus Naturfasern, deren Ausgangsmaterial 100 Prozent biologisch angebaut sind; dazu kommen strenge Sozialstandards
Babypflege: Gütesiegel für Cremes & Co
Expert:innen raten beim Thema Babypflege zum Prinzip „weniger ist mehr“. Was schließlich in Form von Badeölen, Shampoos oder Pflegecremes an die noch besonders empfindliche und durchlässige Haut gelangt, sollte streng geprüft sein. Doch wie finden Eltern im großen Angebot unbedenkliche Produkte? Vorsicht ist durchaus geboten, denn Begriffe wie „natürlich“, „bio“ und „Naturkosmetik“ sind bei Pflegeprodukten gesetzlich nicht geschützt und können irreführend sein. Auch hier können Gütesiegel weiterhelfen: Das BDIH-Siegel (BDIH = Bundesverband Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzung und Körperpflege) oder das ECOCERT-Zertifikat garantieren, dass ein Produkt tatsächlich biologisch produziert wurde. Zertifizierte Naturkosmetik wird nach strengen Richtlinien produziert, sie kann zusätzlich zum Beispiel das demeter-Label tragen. Zertifizierte Produkte sind frei von synthetischen Fetten, Duft- und Farbstoffen, ohne Gentechnik und ohne Tierversuche entwickelt. Auch das NATRUE Siegel ist ein unabhängiges Label und steht für die Gewährleistung von natürlichen und biologischen Inhaltsstoffen und die Positionierung gegen Greenwashing.
Und was ist mit „bio-washing“?
Mit den zuvor genannten Bio-Siegeln sind Verbraucher:innen auf der sicheren Seite. Wer jedoch aufmerksam durch die Vielzahl an Baby- und Kleinkindprodukten stöbert, wird noch so manches anderes Label finden, das Bio-Qualität verspricht. Ob sich dahinter wirklich eine ökologische Produktion und strenge Schadstoffgrenzen verbergen, ist für die Kund:innen schwer nachvollziehbar. Hier lohnt sich im Zweifelsfall vor dem Kauf eine gründliche Recherche oder ganz einfach: eine kritische Nachfrage beim Anbieter. Denn die vielleicht wichtigste Währung unserer Branche ist das Vertrauen der Eltern – und dieses durch „bio-washing“ zu verspielen, kann sich wohl kein Unternehmen leisten.